Alles muß raus! Ein Schauspielerschlußverkauf



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Alles muß raus!
Ein Schauspielerschlußverkauf

Es spielen: Tjadke Biallowons, Maresa Lühle, Anke Stedingk, Achim Große Wortmann
Es sprechen: Seth Hollinderbäumer, Sebastian Krämer, Andreas Sparberg
Text/Regie: Tobias Rausch + Ausstattung: Alexandra Bode + Sound/Musik: Gregor Ellwart
Dramaturgie: Heiner Remmert + Assistenz: Manuela Lachmann + Mitarbeit: Ralf Grunwald + Foto: Katrin Ackers

24.01. - 26.01., 11.02. - 13.02., 20.02. - 23.02.2004
jeweils 20:00 Uhr
Theaterdiscounter Berlin

Eingeladen zum Festival 100° Berlin 2004
Gefördert durch das Kunstamt Steglitz

Wir können nur billig! Endlich kommt auf die Bühne, was bisher als Ladenhüter, Restposten und Bückware zurückgehalten wurde: Requisiten, die in früheren Inszenierungen keine Verwendung gefunden haben; Szenen, die aus anderen Stücken rausgestrichen wurden - und drei Schauspielerinnen zu Sonderpreisen.
Radikal reduziertes Sinnangebot!

Aber Vorsicht! Bei Schlußverkaufsware ist der Umtausch ausgeschlossen.

Im Zentrums unseres Wühltischs liegt die Geschichte dreier Schwestern. Nach dem Tod des Vaters treffen sie sich im Haus ihrer Eltern. Johanna springt ratlos von Job zu Job und kann sich nicht vom Heimatort, vom Vater und von der Kindheit losreißen. Stella kehrt überstürzt aus den USA zurück, nachdem der große Traum von der Karriere in Hollywood geplatzt ist. Und Barbara gibt Seminare für erfolgreiche Manager, denen sie Scheitern als ultimativen Kick verkauft.
Beim Ausräumen der Schränke stoßen die Schwestern auf Relikte aus einer Zeit, als die Sendung mit der Maus die Welt noch ganz einfach erklären konnte. -
Da findet Johanna in einer abgeschlossenen Schreibtischschublade ein Tonband, das alle drei nur zu gut kennen ...

Die Inszenierung ist ein theatrales Essay über die aktuelle Situation der "Generation Praktikum", zwischen Quaterlife Crisis und Geilheit auf Geiz. Eine Generation, die sich schon mit Mitte Zwanzig als Restposten empfindet.


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Hier finden Sie Kritiken zur Inszenierung.

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Literaturtipp zum Projekt:

Heiner Remmert: "Ästhetik des Ökonomischen. »Alles muß raus!« und »livingROOMS« von lunatiks produktion", in: Franziska Schößler / Christine Bähr (Hg.): "Ökonomie im Theater der Gegenwart. Ästhetik, Produktion, Institution", Bielefeld 2009 [ISBN 978-3-8376-1060-4], S. 115-125.

In seinem Aufsatz analysiert der Kulturwissenschaftler Heiner Remmert anhand der beiden Projekte von lunatiks produktion die Übernahme und Umwertung von ökonomischen Prinzipien in Theater- und Performanceinszenierungen. Dabei spielt die Ökonomie von Angebot, Nachfrage und Mehrwert nicht nur hinsichtlich der Produktionsbedingungen eine Rolle, sondern auch hinsichtlich formaler und ästhetischer Kriterien der beschriebenen Arbeiten.







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Das Spiel des Lebens -
oder: Die Geburt der Generation Golf aus dem Geiste eines Brettspiels

Ein Essay von Heiner Remmert

Monopoly war uns immer zu langweilig. An materiellen Wohlstand waren wir gewöhnt, reine Kapitalvermehrung schien uns sinnlos. Geld musste auch ausgegeben werden können. Wir wollten Lifestyle, und deshalb war unser Spiel Das Spiel des Lebens.

Beim Spiel des Lebens war die Grundvoraussetzung bereits ein eigenes Auto, dessen Anschaffung natürlich keinerlei Problem darstellte. Die Spielfiguren - im klassischen Blau für Jungs und Rosa für Mädchen - saßen von Anfang an im eigenen Pkw. Durch ihre stecknadelartige Physiognomie wären sie anders auch gar nicht zu bewegen gewesen.

Das Spielfeld bestand aus einer angedeuteten Landschaft mit Plastikbergen und aufgemalten Gebäuden, um die sich eine Straße schlängelte. Diese recht übersichtliche Route führte den Spieler in seinem Auto - übrigens kein Golf - durch verschiedene Stationen seines Lebens. Abkürzungen gab es nur wenige, Sackgassen keine und die Reihenfolge der Ereignisse entbehrte jedweder Überraschung.

Nachdem man geboren und mobilisiert war, bekam man zunächst eine Arbeit. Die war wichtig, denn die Arbeit bestimmte natürlich das Gehalt mit dem man dann für den Rest des Spiels klarkommen musste. Die Spannweite möglicher sozialer Unterschiede war allerdings ziemlich gering. Als Jurist oder Arzt war man selbstverständlich ganz vorn dabei - aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass man einen schlechteren Job als Lehrer hätte erwischen können.

Direkt im Anschluss an den Berufseinstieg wurde geheiratet. Das konnte schon mal einige Runden dauern, weil man sich genau auf so eine Stoppschild-Linie draufwürfeln musste, doch das Resultat war einem gewiss: Ein jeweils konträr gefärbtes Stecknadelpüppchen auf dem Beifahrersitz, als Begleiter für den Rest des Lebens. Es versteht sich von selbst, dass es keine Scheidungsfälle gab; auch für eine Homo-Ehe waren die Spielregeln nicht liberal genug. Dadurch nämlich wären nur schwer zu beantwortende Fragen in Sachen Kinder kriegen aufgeworfen worden, was von nun an eigentlich ständig passieren konnte - nach der Hochzeit wohlgemerkt - und unter der Voraussetzung, dass man auf dem zuständigen Aktionsfeld parkte. Kinder unterschieden sich übrigens äußerlich überhaupt nicht von ihren Erzeugern, hatten keinerlei Einfluss auf deren Lebensweg und dienten, neben dem Einsacken von Geldgeschenken der Mitspieler, eigentlich nur dem Füllen des ohnehin viel zu großen Autos. Erstaunlich ist es, wie wenig mir von den - mit Sicherheit vorhanden gewesenen - Aktionen des Spiels in Erinnerung ist. Man konnte eine Menge Versicherungen abschließen, das weiß ich noch. Aber wogegen? Es könnte auch einfach eine Form von Kapitalanlage gewesen sein, denn zum Ende des Spiels konnte man die Policen auch wieder verkaufen - soweit bin ich mir sicher. Spekulieren konnte man auch. Und Statussymbole erwerben; das hieß tatsächlich so.

Der Clou für uns Kinder jedenfalls bestand in einer Art großem Schicksalsrad, das in einem Krater in der Mitte des Spielfelds angebracht war. Doch wenn ich genau überlege, war das in Wirklichkeit nur die Future-Variante des herkömmlichen Würfels. Was das schnurrende Rad bestimmte, war nicht der Verlauf des Lebens, sondern lediglich dessen Tempo. Schon merkwürdig.

Warum liebten wir dieses Spiel?

Wahrscheinlich weil es streng genommen gar kein Spiel war, denn es gab keine Verlierer und im Grunde auch keine Gewinner. Wenn zum Spielende hin die mittlerweile vollbesetzten Wagen mit ungebremster Geschwindigkeit in die Schlussetappe des Pensionärsdaseins einbogen, passierte einfach das, was bereits bei der Berufszuteilung festgestanden hatte. Der Arzt zog in die Villa am See, der Lehrer entspannte in seinem Einfamilienhaus in der Vorstadt. Kann man ihn deswegen einen Verlierer nennen?"

Wer in den 80er Jahren aufwuchs, hat das Verlieren nie gelernt. Fällt es ihm daher heute so schwer, nicht zu verzweifeln, wenn Erwartungen nicht eintreffen, Träume zerplatzen, Gewissheiten einstürzen und das Ticken der biologischen Uhr unangenehme Erinnerungen an das Schicksalsrad des "Spiel des Lebens" weckt?

Pünktlich zum Starttermin des WSV wird diesen Fragen nachgegangen:

ALLES MUSS RAUS. ES MUSS.





Weitere Informationen unter: www.theaterdiscounter.de