Pressestimmen "Die Welt ohne uns"


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Die Welt ohne uns - Akt VI: Der Wald

"Da sage noch einer, das zeitgenössische Theater sei nicht visionär. Das Schauspiel Hannover blickt in die nähere Zukunft, und was sieht es da? Der jetzige hannoversche Oberbürgermeister und Schirmherr des »Botanischen Langzeittheaters« des Schauspiels ist niedersächsischer Ministerpräsident. Dann blickt es noch weiter, in die Zeit exakt 150 Jahre nach Aussterben der Menschheit, da ist dann Hannover allerdings - wie der Rest der Welt - überwuchert von dichtem Wald und Gestrüpp.
Mit der Erderwärmung scheint es allerdings nicht ganz so dramatisch weitergegangen zu sein: Das Publikum, das für die Zeitreise nach 30-minütiger Fahrt irgendwo am Stadtrand abgesetzt worden ist, blickt von seinen Sitzplätzen in einem engen Container keineswegs auf tropische Lianenvegetation, sondern auf ein paar Haselstauden und deutsche Eichen, ein herbstliches Waldstück, wie man es auch 2011 in Hannovers Umgebung hätte sehen können.
Immerhin gibt es in der Zukunft noch Scheinwerfer und Theaternebel. Der Nebel kommt aus dem Unterholz. Man könnte denken, dort brodelten Chemieabfälle vor sich hin. Dahinter bläst sich wie von Zauberhand eine Klimablase auf. Darin, dank Zukunftsbeamer (die Technik wird erst in der Zukunft erfunden), der bekannte hannoversche Konzeptkünstler Timm Ulrichs (gespielt von ihm selbst) und der Schauspieler Mathias Max Hermann. Letzterer gibt den sensiblen Künstlerversteher und Feingeist.
Der Beamer hat die beiden an einen Ort versetzt, von dem Ulrichs vermutet, es handle sich wahrscheinlich um die Stelle, an der ein dritter Bauabschnitt des Sprengel Museums geplant war. Statt einer Bauruine findet sich dort in der Zukunft ein Timm-Ulrichs-Gedächtnispark: mit einem witterungsfesten Flachbildschirm für die Videoarbeiten, dem berühmten Grabstein mit der Inschrift »Denken Sie immer daran, mich zu vergessen!«, den der heute über Siebzigjährige mit 29 Jahren anfertigen ließ, und noch ein paar weiteren Geniestreichen.
Das Futur II, das »es wird gewesen sein«, das die Schauspiel-Reihe »Die Welt ohne uns« beschwört - das Ulrichs-Stück ist Teil VI der von Tobias Rausch konzipierten Reihe - ist die Form, in der Künstler ohnedies denken. Ulrichs muss sich auf keine Fiktion einlassen. Nachruhmsorge treibt ihn ständig um. Als einziger Künstler in der Zukunft noch übrig zu sein fühle sich »ein wenig paradox an«, sagt er, aber offenbar nicht schlecht. Endlich kann der Künstler einiges zurechtrücken. Den chinesischen Kollegen, der teure Vasen fallen lässt (Ai Weiwei), nennt er Mittelmaß. Warhol hält er für überschätzt (»Kennen Sie Andy Warhol? Der war mal ziemlich berühmt.«).
Vom Container aus folgt man gespannt dem espritvollen Gespräch draußen in der Blase. Die Stimmen klingen dank Tontechnik ganz nah am Zuhörerohr. Es geht um Kunst und Religion, ästhetische und existenzielle Fragen. Immanuel Kant, James Joyce und Stéphane Mallarmé werden zitiert. Beide Gesprächspartner sind beneidenswert belesen. Trotzdem sagt Timm Ulrichs an einer Stelle säuerlich: »Sie zitieren immer Autoren, um mich zu demütigen.«
Noch lange könnte man den beiden zuhören, doch allmählich macht sich die Zeit bemerkbar. Die Natur rückt dem Timm-Ulrichs-Gedächtnispark zu Leibe. Oder um genau zu sein: Zwei Helfer, Marius und Michael, vollbringen in silbergrauen Schutzanzügen in ein paar Minuten, was Erosion in 150 Jahren, Schimmel in 40 Jahren und saurer Regen in 15 Jahren schaffen. Was genau in dem Park passiert, sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Timm Ulrichs nimmt die Zerstörung seines Lebenswerks erstaunlich gelassen hin."
(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 27.10.2011)

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Die Welt ohne uns - Akt V: Humus und Humor

"Einiges unterirdisches Theater gab es bereits in den vergangenen vier Akten des botanischen Langzeittheaters »Die Welt ohne uns« zu sehen, aber so realistisch tiefer gelegt wie die jüngste Episode war das auf 14 Folgen angelegte Projekt noch nie. Der Spielort lag 1,30 Meter unter der Erdoberfläche. Den Zuschauern bot sich eine Perspektive wie von ganz unten. Man blickte auf Erde und Wurzelwerk und konnte einer Leiche beim Verwesen zusehen. Beziehungsweise gerade nicht. Denn das Problem dieser Leiche ist, dass sie nicht verwesen kann. Seit 73 Jahren liegt der Mann unter der Erde, aber er ist immer noch ganz. Jedenfalls so ganz, dass er reden und uns seine Geschichte erzählen kann. Er war Forscher, Chemiker und hat mit Konservierungsstoffen experimentiert. Und auch mit Frauen. Mit dem Ergebnis, dass er zusammen mit seiner Freundin erschlagen wurde und ihr dann unter der Erde beim Verwesen zuschauen konnte.
Der Untote (Daniel Nerlich) erzählt detailliert, wie das so ist, wenn Maden, Pilze, Milben und Würmer den menschlichen Körper als Festtafel nutzen. Und er sagt (gemäß der Textvorlage von Regisseur und Autor Tobias Rausch), was vom Menschen übrig bleibt: Quecksilber aus den Zahnfüllungen, Kadmium aus der Lunge, Hormone von der Antibabypille und manchmal auch Silikon.
Überhaupt lernen die Zuschauer viel bei dieser Folge des Pflanzentheaters. Auf der Busfahrt zum Spielort (einer Brache mit verfallenden Gebäuden in Stöcken) war aus der Bordanlage ein Interview mit Hansjörg Küster, einem Biologen vom Institut für Geobotanik der Universität Hannover, zu hören. Im Moor, sagt der Wissenschaftler, blieben die Pollen gut konserviert. Wenn man hier Bodenproben aus einem Meter Tiefe nimmt, kann man 1000 Jahre in die Vergangenheit zurückschauen, bohrt man auf zwei Meter, kommt man 2000 Jahre zurück und so weiter.
Anhand der Pollen, die man in den Proben findet, kann man die Pflanzenwelt der Zeit rekonstruieren. An der Häufigkeit von Getreide- oder von Haselnusspollen erkennt man den Einfluss des Menschen; man kann erkennen, wann die Eiszeiten den Pflanzenwuchs zurückgedrängt haben, und man sieht, dass vor Millionen von Jahren an der Stelle, wo jetzt das Moor nördlich von Hannover ist, Palmen wuchsen.
Beständig, sagt der Pollenforscher, sei nur eines: dass Natur nichts Statisches ist, sondern sich immer verändert. Es sei denn natürlich, man ist eine Leiche und unverwesbar.
(Hannoverscher Allgemeine Zeitung, 08.07.2011)

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Die Welt ohne uns - Akt IV: Unwetter

"Ein Theater, bei dem Pflanzen auftreten und möglichst keine Menschen, erprobt das Schauspiel Hannover seit einem Jahr. Das Projekt heißt »Die Welt ohne uns« und ist in vierzehn Folgen aufgeteilt. Jetzt hat die vierte Folge namens »Unwetter« Premiere.
»Der Auftrag des Theaters ist die Irritation«, sagt Regisseur Volker Lösch. Normalerweise stellt sich die Irritation im Theater während der Aufführung ein: aufgrund dessen, was auf der Bühne passiert. Beim Stück »Die Welt ohne uns« ist das anders: Da beginnt die Irritation bereits vor der Aufführung. Sie beginnt bei der Konzeption des Stückes, dessen zentrales Anliegen darin besteht, ohne Menschen auszukommen: Die Darsteller in »Die Welt ohne uns« sollen Pflanzen sein.
Volker Lösch hat mit dem Stück nichts zu tun. Aber mögen würde der politische Regisseur es vermutlich, zumal das Pflanzen-Theater des Schauspiels Hannover ebenfalls politisches Theater ist - auch wenn das hannöversche Haus lieber von »botanischem Langzeittheater« sprich. »Die Welt ohne uns« besteht, wie eine TV-Serie, aus mehreren Folgen. Jede der insgesamt vierzehn Folgen dauert ungefähr eineinhalb Stunden, pro Spielzeit gibt es am Schauspiel Hannover drei Folgen, damit ist das Langzeit-Theaterprojekt auf fünf Jahre angelegt. Der Zeitraum, von dem die vierzehn Folgen erzählen, umfasst eine Million Jahre - es geht darum, wie es auf der Erde weiter ginge, wenn die Menschheit aussterben würde. Am heutigen Donnerstag hat die vierte Folge namens »Unwetter« in Hannover Premiere.
Wie alle anderen Folgen auch kann diese vierte Folge ohne Vorkenntnisse rezipiert werden. Wissen müssen die Zuschauer nur, wo sie sich auf dem Eine-Million-Jahre-Zeitstrahl befinden: Folge vier spielt im fünfzehnten Jahr, nachdem die Menschheit von der Erde verschwunden ist. Warum die Menschen weg sind, ist dabei egal. Wichtig ist nur: Sie sind weg, und seit anderthalb Jahrzehnten ist die Natur sich selbst überlassen. Daraus ergibt sich eine Szenerie, in der die Pflanzen und Tiere die Herrschaft übernommen haben. Der Ort hat sich seit der ersten Folge nicht verändert - nur Zeit ist vergangen.
In der Logik des Stückes ist es auch egal, wo auf der Welt sich der Ort befindet. In der Realität der Aufführung befindet er sich auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne im Nordosten Hannovers. Eine Kulisse erster Güte: Baracke reiht sich an Baracke, die Fenster sind eingeworfen, es gibt Löcher in den Mauern und verkohlte Türstöcke.
Auf einem der Barackenvorplätze sitzen die Zuschauer in einem Container, dessen Frontseite verglast ist. Wie in einem Cockpit sehen sie nur, was vor ihnen passiert, und hören, was Außenmikrofone übertragen. Die Zuschauer sind mittendrin und abgenabelt zugleich.
Bei der Folge »Unwetter« sehen die Zuschauer eine Telefonzelle, die wie vom Himmel gefallen in die Erde gerammt ist. In der Telefonzelle schwimmt ein Aal. Sie sehen eine riesige Röhre aus Metall aus irgend einem Industriebetrieb, in dem es um's Grobe gegangen sein muss. Im Hintergrund sehen sie die alten Kasernengebäude mit eingeschlagenen Fenstern und Graffiti an den Wänden. Aus einem der Fenster wächst ein Gebüsch. Möglicherweise zeigen sich den Zuschauer auch die beiden Wölfe, auf dem Gelände unterwegs sind - von einem Zaun umgeben. Und dann? Passiert nichts
Und dann? Passiert erstmal nicht viel. Die Zuschauer werden einiges zum Schauen haben, weil sie auf dem Weg vom Schauspielhaus zur Spielstätte gemeinsam in einem Bus ein Hörspiel gehört haben, das die Situation erklärt. Sie werden sich mit dem Gedanken beschäftigt haben, wie es wohl mal aussehen wird auf der Welt, wenn der Mensch weg ist. »Man kann das Stück eine Meditation nennen«, sagt Regisseur Mirko Borscht. »Einen Moment der Besinnung. Der Weltuntergang wird immer als etwas Tragisches empfunden. Aber das ist eine egoistische Perspektive: Es würde der Welt gut tun, sie sich selbst zu überlassen.«
Bei der Meditation alleine wird es diese vierte Folge aber nicht bewenden lassen. Es wird ein Bildschirm auf dem Gelände stehen, der ebenfalls wirkt wie vom Himmel gefallen. Darauf ist zu sehen, wie zwei doch noch zurückgekehrte Menschen die verfallenen Baracken von innen untersuchen. Außerdem wird es schneien und regnen und die echte Wölfe werden - möglicherweise - heulen, wenn es die Wölfe auf dem Bildschirm tun. Im Vergleich zu herkömmlichen Stücken wird »Unwetter« trotzdem mit wenig Dramatik auskommen. Es wird wieder eine Schule der Wahrnehmung sein - ähnlich wie die ersten drei Folgen, nur möglicherweise ruhiger. Bei denen war es um das Abschiedsfest der Menschen gegangen (I), um die Fortpflanzung (II) sowie um das Wachsen und Weichen (III). Regie führte in allen drei Fällen Tobias Rausch, der sich das Gesamtkonzept zusammen mit seiner Gruppe »Lunatiks Produktion« ausgedacht hat. Als Inspiration diente den Theatermachern Alan Weismans Buch »Die Welt ohne uns«. In Rauschs ersten drei Inszenierungen ging es deutlich mehr um die Pflanzen als nun in Folge vier: Beim »Abschiedsfest« gab's geröstete Lilienblüten vom Pflanzengrill, bei der »Fortpflanzung« wurde vom Gruppensex der Nebelkappen und den 13 Geschlechtern von Schleimpilzen berichtet und beim »Wachsen und Weichen« landete eine Primel in einer Mikrowelle um zu demonstrieren, wie es ist, wenn eine Buche anderen Pflanzen den Lebenssaft entzieht.
Eigentlich ist die Idee bei »Die Welt ohne uns«, auf menschliche Schauspieler ganz zu verzichten - das allerdings hat in radikaler Form bisher nicht geklappt. Auch das Vorhaben, neue Formen des Erzählens zu entdecken, ist nicht immer geglückt: »Wachsen und Weichen« sei eine »Referatsperformance« gewesen, schrieb das Online-Magazin Nachtkritik. »Die Pflanzen werden angespielt von Darstellern, die auch ein bisschen singen, ein wenig scherzen, vor allem aber Informationen wieder geben.«
Das »Unwetter« von Regisseur Mirko Borscht, 40, wird nun allerdings eine andere Tonlage anschlagen. »Es ist der Versuch, die Menschen in einem ruhigen Sinne in einen Rauschzustand zu versetzen. Sie sollen gefangen sein im Besuch dieser Welt.« Borscht möchte das »Gefühl einer Atmosphäre« herstellen, er will den Verfall in seiner Schönheit zeigen, will einen Ort kreieren, der bei allem Niedergang eine positive Ausstrahlung hat. »Wenn die Menschheit aussterben würde, wäre das für die Erde eigentlich ganz gut«, sagt Borscht. »Das ist unsere ketzerische These.«"
(die tageszeitung, 14.04.2011)

"Nein, bitte keinen Applaus! nach der Premiere der jüngsten Ausgabe von »Die Welt ohne uns« trat Regisseur Mirko Borscht vors Publikum und bat darum, den zart tröpfelnden Beifall einzustellen. Zu viel, sagte er, sei schiefgelaufen: Ein Generator habe nicht richtig funktioniert, daher sei es nicht möglich gewesen, das Bild einer utopischen Landschaft wie geplant auf die Ruinen zu projezieren. Und auch mit dem Ton habe es Probleme gegeben. So sei die eigens komponierte Musik nicht zu hören gewesen, und auch die Mitteilung, dass die Schlafbrillen abgesetzt werden können, habe die Zuschauer nicht rechtzeitig erreicht.
Das stimmt. Und damit kam es zu dem absurden Effekt, dass im Zuschauerraum viele Besucher mit einer Schlafbrille vor den Augen saßen, während das Spiel längst im Gange war. Deutsches Theaterpublikum: Es verhält sich exakt so, wie es vorgeschrieben ist. Glücklicherweise hat man nicht auch noch Ohrstöpsel verteilt.
Aber die Idee mit den Schlafbrillen wäre, selbst wenn sie wie geplant funktioniert hätte, vielleicht doch keine so gute gewesen. Mirko Bortscht war als Regisseur neu eingesprungen. Er wagt einen schön radikalen Ansatz und versucht, den Titel »Die Welt ohn uns« wörtlich zu nehmen. Das Projekt, das von der Welt nach dem Ende der Menschheit erzählt, sollte kein Schauspiel werden. Aber Theater ganz ohne Schauspieler wurde es dann doch nicht. Am Spielort, einem verlassenen Kasernengelände, ist eine Ruinenlandschaft aufgebaut; in einem Rohr (man schaut also in die Röhre) steht ein Bildschirm, auf dem zu sehen ist, wie zwei Schauspieler die verfallenen Häuser des Militärgeländes erkunden.
Auf Dauer ist das langweilig. Auch die Aussicht auf die wasserdurchströmte Brachfläche wird irgendwann langweilig. Selbst die echten Wölfe, die durchs Revier schnüren, sind am Ende langweilig. Nur dass der Regisseur gegen Ende Rauch in den STahlcontainer strömen lässt, in dem Zuschauer sitzen, ist nicht langweilig - sondern ärgerlich.
Denn so eine Auschwitz-Anspielung ist hier absolut deplaziert. Und die kann auch nicht mit einem Hinweis auf die Tücken der Technik entschuldigt werden."
(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 17. April 2011)

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Die Welt ohne uns - Akt III: Wachsen oder Weichen

"Ein Paradies könnten wir haben, bestimmt. Hätte der Mensch, wie es an diesem Abend heißt, nur nicht begonnen, »Ähren zu zupfen und Körner zu zählen«. Da führt, wie Weltgeschichte und Klimaforscher wissen, rasch eins zum anderen, und lange geht das nicht mehr gut. Das heißt? Schluss machen mit den Genmaiserfindern und Rohstoffeausbeutern und Erderwärmern. »Die Welt ohne uns« ist ein Projekt, in dem sich das Schauspiel Hannover zusammen mit dem Berliner Produktionskollektiv »lunatiks produktion« ausmalt, wie es wohl wäre, wenn die Menschheit geschlossen, aber ohne apokalyptischen Verseuchungsknall, abtreten würde vom Angesicht der Erde - und damit auch von der Theaterbühne.
Bis 2015 wird also botanisches Langzeittheater veranstaltet: Dreimal jährlich lässt sich in einem eigens angelegten Garten beobachten, wie sich im »post-anthropologischen Zeitalter« die Natur fortentwickelt. Und wenn es wieder soweit ist, so wie an diesem Abend, an dem bereits Akt Drei uraufgeführt wird, steigen die Zuschauer gemeinsam in einen Bus, brechen auf zum Außenspielort und werden schon auf der Fahrt durch die abendliche Großstadt auf die Zukunft eingestimmt: Eine Tonbandstimme kommentiert, was links und rechts vom Wege liegt, und weissagt ungerührt, wie sich die Zivilisationslandschaft verwandelt haben wird - wie die Wölfe zurückkehren und die Rauhaardackel der Menschen fressen, wie im Burger King noch ein Burger auf dem Tresen liegt und nicht verrottet, wie die Kakerlaken den Menschen nachsterben, als wären sie ihre besten Freunde gewesen.
Und dann erreicht man das Ziel, ein verlassenes Kasernengelände, auf dem tatsächlich völlige, gespenstische Dunkelheit herrscht und in dem ein kleiner Betrachtungspavillon mit Glasfront den zurück in die Zukunft Gereisten Unterschlupf bietet - und Blick auf den Garten. Der ist jetzt angestrahlt, und ein sehr effektvoller Sturm geht in herbstlicher Manier über ihn hinweg, lässt Blätter fliegen und zeigt verdorrtes Gewächs, eine hinfällige Wasserpumpe, Brombeersträucher, Ödnis. Der Apfelbaum, der sich als einer der Hauptdarsteller des Projektes erweisen sollte, ist in schlechter Verfassung, man bangt um die Identifikationspflanze. Siehe da, ein bitterer Trost: Es geht auch ohne uns übel weiter.
Um dies näher zu erläutern, treten die Schauspieler Dominik Maringer und Nadja Petri in Erscheinung und verhöhnen unsere romantische Verklärung. Die Natur, stellen sie klar, ist keine arkadische Idylle, sondern Schlachtfeld, die Pflanzen führen einen Verdrängungswettbewerb um Nahrung, um Platz. »Konkurrenz und Kapitalismus« sind am Werke - »Altruismus gibt es nicht mehr.« Keine Gärtner, die für Ausgleich sorgen, hegen und pflegen. Es gibt nur »wachsen oder weichen.«
Um zu veranschaulichen, wie die Buche, das alte Miststück, anderen Pflanzen den Lebenssaft aussaugt, wird ein Stiefmütterchen in eine Mikrowelle gestellt und diese in Betrieb genommen. Das ist in der Tat ein fantastischer Moment, weil die Blume zur tragischen Figur wird, zur sterbenden Heldin, indem sie langsam in Agonie zusammensinkt. Ansonsten aber ist das botanische Theater ein Theater, in dem Menschen anderen Menschen Wissenswertes über Pflanzen mitteilen. Gleich, denkt man, kommt Ranga Yogeshwar hinter einem Busch hervor. Ihm würde es hier gefallen, denn es gibt einiges zu lernen.
Es spricht für dieses Projekt, dass es nachdenklich ist und unaufgeregt und konsequent in seiner Gedankenspielerei - zugleich aber staunt man über den Hang zur Seriosität. Schließlich verspricht ein solches Pflanzentheater Kurioses, theatrale Selbstzersetzung, ironische Anti-Dramatik. Man malt sich Albernheiten aus oder Stille, ahnt Extremes. Nachdem aber im ersten Akt (der im Mai Premiere hatte) ein Abschiedsfest für die Menschheit gefeiert und anschließend ein Hörspiel abgespielt wurde, ist mit dem zweiten Akt eine traditionellere Aufführungsform gefunden worden, die sich nun auch in der dritten Ausgabe wiederholt. Autor und Regisseur Tobias Rausch setzt vorläufig auf Referatsperformance: Die Pflanzen werden angespielt von Darstellern, die auch ein bisschen singen, ein wenig scherzen, vor allem aber Informationen wiedergeben.
Doch der dritte Akt ist eben nur ein Akt des Fünf-Jahre-Dramas und nur eine szenische Möglichkeit unter vielen. Es soll, so wird verlautet, noch manches ausprobiert werden in dem Garten, der keiner mehr sein kann, weil die Natur ihr mitleidloses Regiment walten lässt. Am Schluss gibt es einen Vorgeschmack, denn da setzen die beiden Schauspieler Tiermasken auf, werden zu Hase und Bär und beginnen, brutal auf Kohlköpfe einzuschlagen. Vielleicht geht es ja jetzt erst wirklich los mit der konsequenten Menschheitsleere. Bislang können die Gärtner jedenfalls nicht loslassen, und das post-anthropologisches Theater kommt ohne uns nicht aus."
(André Mumot, nachtkritik.de, 05.11.2010)

"Nun siecht es dahin, das Apfelbäumchen, das Oberbürgermeister Stephan Weil pflanzte. Es vermisst die Menschen, die von der Erde verschwanden - in dieser »Welt ohne uns« des Schauspiels Hannover. Wölfe erorberten die Stadt, Löwenzahn wächst durch Asphalt, Fassaden sind mit grünen Algen überzogen - nur bei Burger King liegt ein Hamburger unverrottbar auf dem Tresen, die »Mumie der Moderne«.
Amüsant wird die verwitternde Stadt auf der Busfahrt zum brachliegenden Kasernengelände in Bothfeld ausgemalt, wo die Gruppe lunatiks produktion bis 2015 eine Million Jahre im botanischen Langzeittheater vorführen will. Teil drei spielt drei Jahre nach Menschheitsende.
So kunstvoll die Landschaftsgestalter das Nachmenschheitsgestrüpp aufsteckten: Abendfüllend ist seine Betrachtung nicht. Vielmehr klären Dominik Maringer und Nadja Petri auf, was überhaupt zu sehen sei: »Wachsen oder weichen« heißt diese Folge, es geht um töglich umrankenden Teufelszwirn, sprösslingsmordende Apfelbäume, um gemeine Buchen die anderen das wasser wegsaugen - da lassen die Welterklärer Stiefmütterchen in der Mikrowelle welcken, ein düsterer Moment.
Kampf um Rohstoffe, Monopolismus, Expansion: Das ist die Natur, sagen sie, und das klingt - sehr menschlich. Man lernt einiges in Akt drei. Er ist praller und intelligenter als der Sendung-mit-der-Maus-Sextalk davor - aber immer noch Faktenvermittlungstheater. Nur am Schluss dreschen beide in Hasen- und Bärenmaske auf Kohlköpfe ein, ein befremdliches, aber dramatisches Bild, das Hoffnung macht für die nächsten 999 997 darzustellenden Jahre.
(Neue Presse, 06.11.2010)

"Was wird sein, wenn wir nicht mehr da sind? Das ist das Thema eines »botanischen Langzeitprojekts«, das das Schauspiel Hannover zusammen mit dem Berliner Theaterkollektiv »lunatiks produktion« (Regie: Tobias Rausch) seit Mai in Hannover veranstaltet. In 14 Folgen soll gezeigt werden, wie es sich auf der Welt ohne Menschen so lebt.
Thema des dritten Aktes, der jetzt auf dem verlassenen Kasernengelände zu sehen ist, auf dem auch die ersten beiden Akte gezeigt wurden, ist der Kampf ums Überleben im Prlanzenreich. Wir befinden uns im Jahr drei nach Ende der Menschheit, Vögel haben die Städte zurückerobert, in den Baumärkten explodieren die Farbeimer.
Das erfahren die Zuschauer im Bus, der sie vom Schauspielhaus zum Spielort fährt. Dort eilen sie in den Container mit Sitzbänken und Panoramafenstern. Durch die Scheiben blickt man in den Garten. Der Wind schaukelt die Scheinwerfer und pustet die Mikrofone. Die Schauspieler Dominik Maringer und Nadja Petri treten in Flauschjacken auf und berichten von Kämpfen im Pflanzenreich. Ein Hauen und Stechen ist das. Der Apfelbaum vergiftet den Boden und der Riesen-Bärenklau verdrängt alles. Die Lehrstunde ist unterhaltsam, ein Lied wird auch gesungen, und die Spieler geben sich große Mühe, ausgelassen zu sein. (...) In der ersten Folge konnten die Zuschauer noch das Gelände erkunden. Jetzt bleibt ihnen nur der Blick in den Garten.
(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 05.11.2010)

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Die Welt ohne uns - Akt II: Fortpflanzen

"Zuerst einmal passiert nichts, zumindest nichts, was das menschliche Auge als sichtbare Veränderung wahrnehmen würde. In dem Garten, der vor einem Jahr, als es noch Menschen gab, zum letzten Mal von diesen gehegt und gepflegt wurde, ist das Chaos eingezogen. Das kleine Gewächshaus hat ein herabfallender Ast zerschlagen. Der Rasen, kurz vor dem Verschwinden noch akurat gestutzt, ist verwildert, hier wiegt sich ein Fingerhut im Wind, dort wächst eine Rose wild vor sich hin. Die Natur hat sich bereits ein wenig von dem vormals alles ordnenden Menschen befreit.
Der zweite Akt des botanischen Langzeitprojektes »Die Welt ohne uns«, das das Schauspiel Hannover mit der freien Berliner Theatergruppe lunatiks produktion bis 2014 in 14 Akten an einem abgeschiedenen Ort in Hannover präsentiert, konzentrierte sich auf die floralen Fortpflanzungsbestrebungen. Was für das Auge des Zuschauers wie ein leicht aus der Form geratener, aber völlig unschuldiger Ziergarten aussieht, entpuppt sich dank der Erläuterungen des durch den Abend führenden Schauspielerpaares als Ort, an dem überall hemmungsloser Sex praktiziert wird.
Die beiden Schauspieler Florian Hertweck und Nadja Petri legten sich mächtig ins Zeug, erklären, warum die Zucchini ein Transvestit, die Rose ein Kastrat und das Moos androgyn ist. Sie animieren die Pflanzen, und gerade dann, wenn sich die Natur mittels einer Böe als dritter Protagonist ins Geschehen einmischt, wird das Publikum an die realen Bestandteile dieses mutigen, humorvollen aber auch nachdenklich machenden Naturschauspiels erinnert. Ein Großteil der eben noch gehegten und gepflegten Pflanzenwelt scheint durch die tiefgreifenden Eingriffe des Menschen dem Untergang geweiht. Eines tröstet allerdings: »Die Welt ohne uns« hat erst ein Jahr ohne den Menschen illustriert. Es bleiben noch 999.999 Jahre. Natur sei Dank.
Im Oktober folgt der dritte Akt mit dem Titel »Wachsen oder Weichen - drei Jahre nach Ende der Menschheit«."
(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 21.06.2010)


"Vorhang auf, dramatischer Moment: So sieht sie also aus, die »Die Welt ohne uns«. Eine Millionen Jahre will das botanische Langzeittheater der Gruppe lunatiks produktion bis 2015 mit dem Schauspiel Hannover vorstellen. Dies ist der zweite Akt, die Welt ohne uns nach einem Jahr. In den Beeten wuchert Unkraut, es sieht aus wie sonst auch auf dem verlassenen Kasernengelände in Bothfeld, zu dem der Bus die 40 Zuschauer karrte. »Die Karnickel sind weg«, konstatiert einer. Sie wurden wohl Beute.
Was also nun? »Pflanzentheater«, sagt Schauspielerin Nadja Petri, die mit Florian Hertweck den Vorhang wegzog. Mit Süffisanz in der Stimme: »Und das für 18 Euro.« Pause. Alles schaut raus. Zwei Fingerhutpflanzen blühen rötlich im Gras, schnell gewachsen, so ohne Mensch: »Pflanzen. Die machen nix. Denken nix. Sind einfach nur da.« Pflanzentheater ist ziemlich meditativ. Oder?
Was für uns unsichtbar im Pflanzenreich tobt, ist Sex. Unmenschlicher Sex. Enthemmung pur. Sagen die beiden weiß gekleideten Menschen. Denn die Nachtkerze (sie stecken einen Pfeil dran) ist nymphoman, die Nebelkappen machen Gruppensex, die Zucchiniblüte ist morgens weiblich, abends männlich, ein Transvestit. Und das Stiefmütterchen treibts mit sich selbst. Noch mehr Pfeile.
Die Protagonisten des Abends, die Fingerhutpflanze, brauchen zur Liebe allerdings die Hummel, und die ist dank des Menschen Flurbereinigung rar geworden. Weshalb die Pflanzenfreunde sich plagen, mit gelb-schwarzen Kellen Hummeln heranzuwinken, den Liebesmüden gar Pflanzenpornos vorzuspielen. Die Fingerhutpflanzen wackeln nur stumm im Wind. Was schert die Natur dieses Menschentheater?
Unterhaltsam ist das wie eine anspruchsvolle Ausgabe der Sendung mit der Maus für Große, im Container amüsieren sich längst nicht nur die zwei mitgebrachten Kinder. Inhaltlich greift es recht kurz. Aber es sind ja auch noch 999.999 Jahre Zeit, die Brisanz des menschlichen Einwirkens auf die Natur zu zeigen.
Wertung: **** (4 von 5 Sternen)
(Neue Presse, 21.06.2010)

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Die Welt ohne uns - Akt I: Das Abschiedsfest

"Ein letztes Flackern, dann gehen die Lichter aus, die bunten Lämpchen des Abschiedsfestes, der einsame Schein der Telefonzelle. Ruhe kehrt ein über den abgezirkelten Beeten, rechts leuchtet orange die Tagetes, links trotzen aufgereihte Salatblätter der Kälte. So liebte der Mensch die Natur: quadratisch, praktisch, hübsch. Damals, als es den Menschen noch gab. Ruhig ist es ohne ihn, zwei Kaninchen mümmeln ratlos im Käfig. Falter flattern im Scheinwerferlicht, ahnungslose Mitspieler.
Idyllisch siehts aus, das Schlussbild des ersten Akts des »botanischen Langzeittheaters«, in dem das Schauspiel Hannover fünf Jahre lang »Die Welt ohne uns« ausloten will, in 14 Akten eine Millionen Jahre. Noch zeugt alles von Menschenhand, in Zeitraffer wechseln Tag und Nacht über der Grasbühne, die die Welt bedeutet. »Es ist vorbei«, sagt eine Frauenstimme vom Band in den Container, wo 40 Premierengäste durch eine Glasfront den Pflanzen zuschauen. Bye, bye, Menschheit! Merkwürdiges Gefühl.
Schließlich hat man gerade ein Abschiedsfest für sich selbst gefeiert, auf diesem brachliegenden Kasernengelände in Bothfeld, das der Bus vom Schauspielhaus ansteuerte. Dort rammte ein Trupp heller Gestalten des Jungen Schauspiels den Spaten auf Beton, zum »Rigorosum« in Sachen Garten. Dass dieser durch einen »metaphysischen Maschendraht« entsteht, durch die angstvolle Trennung in gutes und böses Grün, das legen die Schauspielprofis Veronika Avraham und Florian Hertweck in witzigem Wechselspiel dar. Wie haben Gärten die Menschheit beschäftigt - vom Paradies mit Gott als ewigem Gärtner bis zu den Herrenhäuser Gärten, in denen Kurfürstin Sophie vergeblich nach zwei gleichen Blättern fahnden ließ - die Natur kennt nur Unikate. Und der Schrebergarten heißt nach Moritz Schreber, der Geräte zur Masturbationsverhinderung erfand - Avraham und Hertweck schütteln heftig die Hände bis zum Höhepunkt. So weit, so amüsant. Infotainment.
Das geht auch interaktiv, beim Fest mit Mitmachständen. Was waren die Pflanzen für den Menschen? Objekt der Wissenschaft - am langen Tisch wird mittels Pinzette und Mörser bestäubt. Objekt der Begierde - an der Tulpenbörse wird der Tulpenwahn in Holland nachvollzogen, der ruinöse Neue Markt des 17. Jahrhunderts. Heilpflanzen heilen, gegrillte Wassermelonen (seltsam!) nähren, im Zen-Garten streichelt Dill in zärtlicher Massage, man kann Pflanzen adoptieren, eine witzige Live-Jukebox zum Abspielen ihnen geweihter Lieder motivieren. Und bei der Pflanzensafari ist der abenteuerliche Lebenswille zweier kleiner Keime zu bestaunen. Bis ratternde Rasenmäher das wuchernde Partytreiben abschneiden. Ab gehts in den Container.
Wie eine Visitenkarte hatte Intendant Lars-Ole Walburg diese Produktion der Berliner Gruppe »lunatiks« im Spielzeitheft vorangestellt, überregional war das Vorweg-Echo riesig. Ein Fünfjahresstück ist spektakulär - der erste Akt subtil ausgesteuert. Spielerisch seziert Autor und Regisseur Tobias Rausch, wie der Mensch sich die Erde untertan machte, sie in mathematische Exaktheit und ästhetische Schablonen zwang. Sinnlich ging das Konzept auf, Profis wie Amateure spürten gekonnt den feinen Fäden zwischen Mensch und Pflanzen nach. Letztere stellten überzeugend sich selbst dar. Echte Naturtalente. Viel Applaus."
Wertung: **** (4 von 5 Sternen)
(Neue Presse, 18.05.2010)


"Wie Pflanzen den Raum zurückeroberten, den der Mensch ihnen genommen hat, beschreibt der amerikanische Wissenschaftsautor Alan Weisman in seinem vor drei Jahren erschienenen Buch »Die Welt ohne uns. Reise über eine unbevölkerte Erde«. Was würde passieren, wenn es plötzlich keine Menschen mehr geben würde. Wann werden die letzten Spuren des Menschen von der Erde getilgt sein. (...) Weisman beschreibt den Menschen als gefährliches Wesen. Wo er auftaucht, zerstört er. Harmonie ist ihm fremd, Gleichgewichte verschiebt er zu seinen Gunsten. Er ist ein Störfaktor, ein Raubtier, ein Zerstörer. Die Welt ohne ihn wäre eine andere, vielleicht eine bessere. (...) Das Theater, durchaus fähig, neue gesellschaftliche Strömungen schnell zu erkennen und zu verstärken, ist auf das Buch aufmerksam geworden. »Die Welt ohne uns« heißt ein »botanisches Langzeitprojekt«, das das Schauspiel Hannover in Zusammenarbeit mit der freien Berliner Theatergruppe lunatiks jetzt an einem abgeschiedenen Ort präsentiert. Am Sonntag war der erste Akt des Projekts zu sehen, das bis ins Jahr 2014 angelegt ist. Im Juni soll der zweite, im Oktober der dritte Akt folgen, insgesamt sind 14 Akte geplant.
Vordergründig geht es um das Leben der Pflanzen, das Publikum (immer etwa 40 Zuschauer) soll zuschauen, wie die Pflanzenwelt vom ehemaligen Lebensraum der Menschen Besitz ergreift. Der Spielort - ein ehemaliges Kasernengelände - ist gut gewählt. Viele Graffiti sind auf den Wänden zu sehen (»Freestyle Power« und, ganz schlicht: »Socke«), Birken wachsen direkt vor Hauseingängen, irgendwo fehlt ein Stück vom Dach. Das Ende der Menschheit hat hier schon begonnen.
Im ersten Akt ihres botanischen Langzeittheaters ließen die lunatiks (Text und Regie: Tobias Rausch) kurz die Geschichte der Gartengestaltung vom Paradiesgarten über den Barockgarten, den englischen Landschaftsgarten und den Schrebergarten Revue passieren. Dann wurde eine Art Abschiedsfest gefeiert. An verschiedenen Ständen wurden botanische Informationen aller Art vermittelt (wer wollte, durfte auch eine Nelke bestäuben), die wunderbare Awa Naghipur sang Hits aus dem Pflanzenreich (von »Strawberry Fields« bis »Lemon Tree«), und man servierte gegrillte Ananas. Sehr nett. Aber fast auch ein wenig zu nett, wenn man die Sprengkraft von Weismans Buch bedenkt. Am Ende flackerte das Licht und das Zeitalter nach dem Menschen hatte begonnen."
(Hannoversche Allgemeine Zeitung, 18.05.2010)

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Pressevorschau

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung rätselt der Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier über das Projekt von lunatiks produktion, welches das Schauspiel Hannover in der ersten Saison unter seinem neuen Intendanten, Lars-Ole Walburg, geplant hat:

»Da geht Hannover kapitalismus- und systemkritisch gleich ganz aufs Naturganze: "Wenn wir so weiter leben wie bisher, werden wir bald verschwinden." Weshalb das dortige Staatsschauspiel auf ein "botanisches Langzeittheater" setzt mit "Pflanzen als Hauptdarstellern", in einer Uraufführung, die, dem Wachstum der Akteure entsprechend, von 2010 bis 2015 dauern wird. Man darf auf die Dialoge zwischen Rosen, Zypressen, Morcheln und Stinkwurz schon heute sehr gespannt sein! (Text liegt leider noch nicht vor.)«

Der KulturSpiegel blickt in Heft 12/2009 ebenfalls auf das Projekt voraus und freut sich auf "Pflanzen als Theaterstars" anstatt "Mimen", die eben manchmal auch "Mimosen" seien, während radio eins seine Hörer dazu auffordert, ihre Ficus-Bäume zum Casting zu schicken.