Pressestimmen "Magic Fonds"


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MAGIC FONDS

"Geld ist eine gefährliche Sache. Zu viel ist schlecht, zu wenig auch. An keinem anderen Thema muss sich die zivilisatorische Kraft zur Mäßigung so bewähren wie am Geld. Das Programmheft zu »Magic Fonds«, einem Recherche-Projekt des Jugendclubs am Deutschen Theater Berlin, versammelt einige der Paradoxe zum Thema, entnommen aus der »Kleinen Kulturgeschichte des Geldes« von Dieter Schnaas. Womit gesagt ist, dass Geld ein Kulturgut ist, jedoch nur bis zu jener Grenze, hinter der der Urwald beginnt und keine Ordnung mehr dem Wildwuchs Einhalt gebietet.
So lesen wir unter den poetischen Beschreibungen: »Geld ist rational und romantisch«, »Geld ist bedeutungsschwer und gleichgültig«. Ja, Geld lässt sich gut bedichten, denn ist vor allem eines: Illusion, die darauf angewiesen ist, für bare Münze genommen zu werden. Das hat schon Mark Twain vor über hundert Jahren gewusst, als er seine Erzählung über die »Eine-Million-Pfund-Note« schrieb. Der traurige Witz dieser Banknote, die niemand wechseln kann, ist, dass sie unbegrenzt Kredit gewährt - selbst wenn sie einem gar nicht gehört. Dieser traurige Witz gelangte inzwischen zur Herrschaft: Der Kapitalismus beginnt sich selbst abzuschaffen.
Nach dem vormundschaftlichen Staat, in den der sozialistische Versuch mündete - nun also die vormundschaftliche Bank? Den Großbanken geht es wie dem Kaiser in Hans Christian Andersens Märchen: Sie sind nackt. Banken besitzen überhaupt kein Geld, so scheint es, sie borgen es sich immer nur - vom Sparer, von anderen Banken - und verspekulieren es dann in den Abgründen virtueller Datenbanken, die plötzlich weg sind, wenn jemand den Netzstecker zieht. So banal?
Nein, viel schlimmer, wie der Film »Inside Job« zeigt, der dieses Jahr den Oscar als bester Dokfilm bekam. Die Banken machen uns erst zu Schuldnern, um sich selbst so zu verschulden, dass wir diese Verschuldung - siehe Bankenkrise 2008 - auch noch bezahlen müssen. Nur dass die geretteten Banken sogar an ihren Schulden noch verdient haben! Da wird es wirklich teuflisch. Das hat nichts mehr mit Markt und Wert zu tun, da regiert plötzlich die Zockerbude (die Börse), da wird auf Kurse gewettet wie beim Pferderennen. Nur: dass die Existenz der Menschheit immer mit auf dem Spiel steht. (...) Versteht man das? Interessiert sich niemand dafür, wie das, was 2008 passierte, überhaupt möglich wurde - und sich vielleicht bald wiederholen wird?
Geld kann nicht einfach verschwinden, irgendwo muss es doch sein?, so jammern plötzlich verarmte Kleinanleger. Eine Antwort darauf ist in Tobias Rauschs sehenswertem Theater-Recherche-Projekt »Magic Fonds« am Deutschen Theater zu erleben, für das er ein Dutzend deutsche und schweizer Jugendliche Interviews führen ließ: Was überhaupt ist Geld? Wissen das Banker, Finanzbeamte oder normale Sparer denn? Die Ergebnisse sind purer Galgenhumor: »Kapital verschwindet nicht, nur Ersparnisse.« - »Magic Fonds« wird in der Box des DT mit selbigen Jugendlichen gespielt, die auch die Interviews führten - und plötzlich merkt man eine Verwunderung, in der immer auch ironische Befremdung und fassungslose Wut mitschwingen: Diesem Investment-Zauber liefern wir uns aus? Es wäre ratsam, uns selbst zu »Insidern« unseres eigenen Vermögens (privat wie öffentlich) zu machen, wenn wir es nicht ganz verlieren wollen."
(Neues Deutschland, 02.05.2011)

"Golden glänzt der Vorhang, und die Zuschauer werden freundlich wie Kunden empfangen. Eine Darstellerin stimmt sie augenzwinkernd mit kleinen Zaubertricks, bei denen sie scheinbar ihre Finger wegzaubert, auf das Thema ein. Das da lautetet: Wo befindet sich mein Geld, wohin verschwindet es, nachdem es von meinem Konto in die globalen Finanzströme eingespeist wurde?
Im Rechercheprojekt der Dokumentartheatergruppe lunatiks, das auf der Basis von über 50 Interviews mit Investmentbankern, Börsenpsychologen, teils ehemaligen Mitarbeitern der Europäischen Zentralbank und des Bundesfinanzministeriums und mit Kleinanlegern entstand, wird von Versprechungen und Verheißungen erzählt.
Anders als in Elfriede Jelineks "Die Kontrakte des Kaufmanns", in dem die Autorin sich und das Geld allwissend in eitlen Wortkaskaden und Kalauern sprechen lässt, reden und fragen hier die am Geldhandel beteiligten Menschen. Keine Experten des Alltags stehen auf der Bühne, auch keine Schauspieler, sondern fünf Schweizer und sechs Berliner Jugendliche.
Das gibt der Inszenierung von Tobias Rausch eine spielerische Leichtigkeit und einen forschenden Charme, eine lustvolle Eleganz fern von der Ironie des modernen, besserwisserischen Regietheaters, die den Zuschauer sofort einbezieht in die Such-, Recherche- und Erklärungsbewegungen des Projekts.
Dokumentartheaterstücke sind meist geprägt von unendlichem Erklär-Gerede: "Magic Fonds" nutzt die Taschenspieler- und Zauberei-Metapher, um von der Magie des Geldes zu erzählen und sich durch die Illusionen vom Geld und seiner Vermehrbarkeit zu spielen. Nur mit Pappkartons werden die Orte bezeichnet und Situationen eingerichtet, und dazwischen treten die Darsteller einzeln, chorisch oder auch als zwei sehr unterschiedliche Menschen auf, die das gleiche Schicksal erlebt haben.
Eine reiche Millionenerbin und eine einfache kleine Anlegerin haben durch gleichermaßen falsche Anlageberatung ihr Geld verloren. Eine Anlegeberaterin erzählt von ihrem Job, dessen Druck zu auch betrügerischen Abschlüssen sie nicht mehr gewachsen war. Und dass der Sparer selbst mit schuld ist an seinem Desaster, wird mit einem Anlagespiel mit den Zuschauern und mit einer psychologischen Analyse des homo oeconomicus belegt.
Immer hat man den Eindruck, dass der Kalauer stimmt, der besagt: Das Geld ist nicht weg, sondern nur woanders. Und zwar immer bei der Bank. Ob beim Bankencrash der isländischen Vulcani Bank, wo mit der Menge einer Flüssigkeit im Glas erklärt wird, was ein Bankenschutzschirm und eine staatliche Hilfe bedeuten, wobei der einzelne Sparer schließlich ohne einen Tropfen dasteht.
Ob bei der Erzählung von der Erfindung des Papiergeldes durch einen Glücksspieler am französischen Hof von Philipp von Orleans im Jahr 1716, ob bei einem Anlagegeschäft mit den Theaterzuschauern oder im Bericht eines verurteilen Bankchefs: Wir erfahren natürlich nichts Neues, sondern das, über das wir uns schon immer aufgeregt haben.
Doch die spielerische Form, die Eleganz, das Spiel vor und mit dem Publikum, das zugleich souveräne wie offene Spiel der jungen Darsteller in und mit ihren Rollen, auch der kontrastreiche Einsatz der beiden Sprachen Hochdeutsch und Schwyzerdütsch ergeben einen Theaterabend, der nicht Hochkunst, aber höchst kunstvoll ist. Weil er die Sache wichtig nimmt, ohne wichtigtuerisch "jelinekisch" daher zu kommen. Und gleichermaßen unterhaltsam wie lehrreich ist er sowieso."
(Hartmut Krug, Deutschlandfunk, 29.04.2011)

"Gesetzt, es gäbe die Kartoffelaktie und man besäße sie: Sollte man sie besser sofort verkaufen, bevor sie fault oder doch über gewisse Faulstadien hinaus halten? Um zu wissen, wie der Markt sich verhält, muss man wissen, wonach dies Verhalten sich richtet. Nach Gewinn? Sicher, aber wie gewinnt wer was? Sind Verhaltensmuster und Greifreflexe scheidungswilliger Eheleute ein brauchbarer Vergleich oder hilft einfach nur der Tipp auf gut Glück? Überlegungen hin oder her, am Ende ist das Geld doch immer dort, wo es nicht sein soll: futsch. Doch stimmt, genau genommen, auch das nicht, denn: "Geld verschwindet nicht, nur Vermögen."
Gedankenspiele und naseweise Sprüche dieser Art fallen zuhauf an diesem ehrgeizigen, munter erkenntnisreichen Theaterabend in der DT-Box, in der sich elf junge Hobbyschauspieler zwischen 15 und 25 Jahren aus Berlin und Basel ("Magic Fonds" ist eine Koproduktion) unter Leitung des in dokumentarischen Theaterformen erfahrenen Regisseurs Tobias Rausch zu einer theatralischen Finanzmarktrecherche zusammengefunden haben. Ihre sophistischen Sprüche stammen nicht aus eigener Feder, sondern aus Interviews mit Leuten, die es besser wissen. An die 50 Experten des Geldes haben sie in Berlin und Basel befragt - Anlageberater, Anleger, Banker - und deren Berichte zu einem dokumentarischen Text verwebt.
Doch um es gleich zu sagen: Das sorgsam Recherchierte ächzt beträchtlich nach Luft in diesem Gewebe, das der Schlussredakteur Rausch am Ende zu straff durchgemustert hat. Denn so wie hier die Erzählungen und Veranschaulichungen der gesammelten Geld-Geschichten in viele kleine Fetzen zerlegt und nach und nach zu einem bizarren Mosaik vernäht werden, drängt sich das künstlerische Kompliziertseinwollen allzu prätentiös und ohne Mehrwert vor den lebendig spielerischen Zugang. Dem Arrangement merkt man an, dass Rausch, der studierte Kulturwissenschaftler und Kopf des Theaterrecherchekollektivs Lunatiks, theoretischen Überlegungen mehr traut als der subtil inhärenten Komplexität von Direktheit und Einfachheit. Für die angewandte Theatertheorie der Lunatiks, die die flüchtige Beziehung des Theaters zur sich wandelnden Welt immer neu erforscht und dafür auch schon mal ganz ohne Menschen auskommt, indem Pflanzen ihre Akteure werden, wie in ihrem hannoverschen Langzeitprojekt "Die Welt ohne uns", mag das ein richtiger Weg sein. Nicht aber für dieses im Kern um Menschen kreisende Jugendtheater. So schleicht sich ein abgebrühter Ton in das revueartige Spiel, der sich immer auf der Höhe postdramatischer Sophistik präsentieren will. Der aber ist den jungen Darstellern fern.
Unbeeindruckt davon machen die Debütanten auf der Pappkarton-Bühne ihre Sache prima. In glitzernder Casinogarderobe - offenbar unvermeidliches Outfit im kapitalismuskritischen Theater - treten sie spielsicher und zu allem entschlossen auf. Fies-charmant umgarnen sie die Zuschauer mit Geldschein-Vernichtungstricks und schlüpfen mit allem Ernst mal in die Angst-Erzählung eines von Bilanzen getriebenen Bankers, mal in den Bericht eines couragierten Familienvaters, der nach dem Crash nach Island reiste und die Bank, die sein Erspartes verzockte, zur Rechenschaft zog.
Viel Bekanntes über die surreale Parallelwelt des substanzlosen Geldes wird wiedergekaut. Doch zeigen überraschend prägnante Spielszenen auch, was man vorher nie so sah. Etwa wie ein "homo oeconomicus" funktioniert und dass er seltener ist, als man denkt. Von solchen Ansätzen, die von näher liegenden Sichtweisen vielleicht auch der Jugendlichen ausgingen, hätte man sich mehr gewünscht. Die tollen Spieler hätten es gemeistert."
(Berliner Zeitung, 02.05.2011)